Medellín

von | 05. Mai 2024 | Kolumbien, Südamerika | 0 Kommentare

Medellín ist eine weitere Grossstadt von Kolumbien und wir sind auf den Spuren von Pablo Escobars Aufstieg und Fall. Die Stadt wurde durch die unrühmlichen historischen Gegebenheiten stark von Kartellkriegen geprägt und die Nachwirkungen spüren und sehen wir bis heute. Gleich vorweg, wir haben bis jetzt wohl noch keine Stadt mit so vielen und überall präsenten Obdachlosen und drogenbeinflussten Menschen gesehen – echt schwierig die einzelnen Schicksale mitanzusehen. Gleichzeitig gibt es auch in Medellín unzählige verschiedene Quartiere, die jeweils auch einen eigenen Charakter und ein eigenes Erscheinungsbild haben. Wir laden euch ein auf eine kleine Tour durch unsere Erlebnisse in Medellín.

Museum „Haus der Erinnerung“

Die bereits angesprochene Geschichte der Kartellkriege welche speziell Medellín geprägt hat ist nicht die einzige gewaltvolle Epoche die ganz Kolumbien geprägt hat. Zahlreiche Konflikte mit schwer bewaffneten, paramilitärischen Gruppen prägen über Medellín hinaus die Erinnerungen und Erfahrungen von allen Kolumbianern. Als Gegenpol dazu, um der schmerzhaften Vergangenheit eine Stimme zu geben und aktiv an der Aufarbeitung dieser Themen zu arbeiten wurde das Haus der Erinnerung – Casa de la Memoria – errichtet. Hier wird an die vielen tausend Opfer der Konflikte erinnert und die positive Transformation seitdem erlebbar dargestellt. Reintegrierte Angehörige von paramilitärischen Gruppierungen erhalten genauso eine Stimme wie Angehörige von Verschleppten, die dazu aufrufen, den positiven Wandel weiter zu verfolgen. Auf Medellín wird eindrücklich als interaktive Karte dargestellt wo ersichtlich wird wie viele schwere Zusammenstösse zwischen solchen Gruppierungen und der Polizei oder dem Militär stattgefunden haben und wie sich die Häufigkeit über die Zeit reduziert hat. Besonders gravierend war der Terror in Medellín gegen Ende der Zeit von Pablo Escobar als oberster Boss des Medellín-Kartells. Einerseits platzierte sein Kartell Bomben, um die Wirtschaft in Medellín zu treffen, andererseits wurden gleichzeitig Anschläge gegen sein Kartell von rivalisierenden Kartellen verübt. Hinzu kam die abscheuliche Jagt durch das Kartell auf Polizisten was wiederum durch Gegenschläge der Polizei und des Militärs zu noch mehr Gewalt und Schrecken führte.
Gut, dass hier im Haus der Erinnerung die Stimme der Opfer Gehör findet und der positive Wandel damit verfestigt werden kann.

Di-Fr: 09.00-18.00 / Sa-So: 09.00-16.00
Eintritt gratis
Ein Grossteil der Ausstellung ist nur auf Spanisch beschrieben, grundlegende Spanischkenntnisse sind also ein Vorteil, es gibt allerdings auch englischsprachige Touren.

Comuna 13, Medellín

Ein unbedingt zu besuchendes Quartier von Medellín ist die Comuna 13. Ein Quartiert, welches während der Zeit Escobars besonders gelitten hat. Wir sind gespannt. Auf jeden Fall führt der Besuch der Comuna 13 zu einer farbenfrohen Abwechslung zu unserem Besuch des Hauses der Erinnerung. Die Comuna 13 ist besonders für die ausgefallenen Wandmalereien bekannt. Ausserdem findet sich hier eine Aussenrolltreppe über mehrere Sektionen, um die steilsten Stücke der bekanntesten Gasse in den Häusern der Comuna 13 zu überwinden. Wir kommen mit der Metro Medellíns bequem im Quartier an und machen die letzten paar 100m zu Fuss. Zumindest tagsüber ist die Gegend genug sicher um auch als offensichtlicher Tourist ohne Probleme auf den Strassen unterwegs zu sein. Schnell machen wir die Destination aus. Wir besuchen die Comuna 13 an einem Sonntag und entsprechend viele Touristen sind in der Gegend. Menschenmassen drängen sich an den vielen Essenslokalitäten und Aussenbars vorbei zu den Rolltreppen und versuchen auf dem Weg noch das perfekte Selfie mit den Wandmalereien zu machen. Verrückt! Es hat hier vieles zu sehen, aber alles hat wenig mit Kolumbien selber zu tun. Dieser berühmte Abschnitt der Columna 13 fühlt sich ähnlich wie ein Ballermann in Medellín an. Seis drum – wir haben die Rolltreppen und viele schöne Wandbilder gesehen. Aber viel länger halten wir es auch nicht mehr aus in dieser Touristenmassen. Schnell weiter ins nächste Viertel. Auch in Medellín ist es so wie bereits in Bogotá: Jedes Viertel hat seinen eigenen Charakter und sein eigenes Erscheinungsbild, zum Glück!

Barrio Suramericana

Das Quartier Suramericana zum Beispiel ist unsere Heimat auf Zeit in Medellín. Es ist ein Wohnquartier der oberen Mittelschicht und dadurch sicher, um unseren Campervan einfach am Strassenrand abzustellen für die Zeit, die wir in Medellín verbringen. Die Mehrstöckigen Wohnblocks werden meist durch Sicherheitspersonal rund um die Uhr bewacht und diese Sicherheit färbt auf die unmittelbaren Quartierstrassen ab. Das nutzen wir natürlich gerne! Ausserdem können wir in so etwas wie dem Quartierzentrum auch zu Fuss abends noch Essen gehen – es hat einige Restaurants zum Ausprobieren. Hier ist die Welt ein ganzes Stück mehr in Ordnung als in anderen Quartieren Medellíns. Die Leute gehen auch abends im Park unbehelligt etwas Spazieren oder Trinken, alles mitten in der zweitgrössten Stadt Kolumbiens mit einer sehr gewalttätigen Vergangenheit.

Die Metro von Medellín

Das Netz des öffentlichen Verkehrs in Medellín ist besonders spannend. Es gibt einerseits nur zwei Metrolinien – Züge, die im Stadtzentrum auf einer Höhe von etwa 10m fahren, um den darunterliegenden Verkehr nicht zu behindern. Hinzu kommen Trams und Busse, soweit so normal. Aber jetzt kommt die Spezialität: Medellín hat auch mehrere Seilbahnen in sein Metronetz integriert die mit der regulären Karte benutzt werden können. Die Idee dahinter überzeugt. Die Aussenquartiere sind im regulären Verkehrschaos auf den Strassen zu weit von den Zentren entfernt und entsprechend tief wäre der Lebensstandard. Durch die Seilbahnen rücken die Aussenquartiere näher ans Stadtzentrum und profitieren so von einer höheren Wertschöpfung und einem allgemein besseren Lebensstandard als ohne.
Für uns sind die Seilbahnen so spannend, dass wir an einem Nachmittag nur der Seilbahn wegen in den Norden der Stadt fahren, um mit ebendieser über die eher einfachen Backsteinhäuser mit Wellblechdächern zu gondeln und so einen ganz anderen Blick auf die Stadt zu erhalten. Einmalig für uns!

Die andere Seite zur Geschichte von Pablo Escobar

Um nun als Gegengewicht zum Haus der Erinnerungen, der Seite der Sicht der Opfer, eine zweite Sicht der Geschichte von Pablo Escobar zu erleben buchen wir eine vierstündige Tour mit einem Guide. Auf Empfehlung machen wir die Tour nicht mit irgendeinem Guide, sondern mit Diego, ehemaliges Mitglied des Medellín Kartells. Er hat in den USA für Pablo Escobar gearbeitet und ist schlussendlich dafür auch knapp 20 Jahre im Gefängnis in Amerika eingesessen. Das ist natürlich besonders spannend für uns, da wir so aus erster Hand die guten, aber natürlich auch die schlechten Seiten erfahren. Gleich zu Beginn erzählt er uns wegen unserer Schweizer Herkunft wie er ein Teil seines Geldes aus dieser Zeit wieder freigeklagt hat in Zürich. Also hat er durchaus Geld aus der Kartellvergangenheit in die Zeit nach seiner Haft transferieren können. Über die Höhe des Betrags können wir aber leider keine Auskunft geben. Ausserdem sei auch viel Geld von Escobar in der Schweiz gelagert worden.
Von Diego erfahren wir ausserdem, wie er angefangen hat für ein Kartell zu arbeiten und sich so innerhalb des Kartells hochgearbeitet hat. Er war Schmuggler, um zuerst Geld und danach Kokain innerhalb der USA an die nötigen Orte zu transportieren. Während der Tour treffen wir auch andere ehemalige Kartellmitglieder die heute als Tourguide unterwegs sind. Einige wahren wohl Killer oder Leibwächter für und von Pablo Escobar.

Mit Diego fahren wir zum Inflexión Memorial Park, wo den ungefähr 46’000 Opfern während des Kartellkriegs in Medellín gedacht wird. Dabei erhalten wir interessante Einblicke über die offizielle Geschichtsschreibung, die teilweise Bombenexplosionen fälschlicherweise Pablo Escobar in die Schuhe schieben, obwohl sie die Handschrift eines rivalisierenden Kartells oder gar der Regierung selber tragen. Ein weiterer Ort auf der Tour ist die Grabstätte von Pablo Escobar sowie einer weiteren wichtigen Person in dieser Geschichte: Griselda Blanco. Sie hat im Hintergrund die Fäden des Kokainimports in die USA gezogen. Wiederum fahren wir weiter quer durch die Stadt, um das Barrio Pablo Escobar zu besuchen. In der Anfangszeit hat Pablo Escobar auch vordergründig Wohltätige Projekte umgesetzt und über 1’000 Wohnhäuser für die Bevölkerung gebaut. Und schliesslich werden wir auch zum berühmten Dach geführt, auf welchem Pablo Escobar schliesslich getötet wurde. Und auch hier: Wurde er getötet oder hat er sich am Schluss seiner Karriere als Drogenbaron selbst hingerichtet? Die wahren Hintergründe lassen sich wohl nur bei einer Tour durch Medellín beantworten – wir wollen in diesem Blog schliesslich nicht alles vorwegnehmen.

Die Tour hat sich echt gelohnt, vor allem die Hintergründe und Einblicke eines echten ehemaligen Gangsters haben uns recht beeindruckt. Diese Informationen haben wir während den Autofahrten sozusagen während dem innoffiziellen Teil der Tour erfahren und machten die Tour zu einem echten Highlight für uns. Diego hat mit seiner Vergangenheit abgeschlossen resp. ist damit im Reinen. Somit hat er auch keine Probleme direkte Fragen zu beantworten.

Barrio Poblado

Zum Abschluss unseres Aufenthalts in Medellín machen wir einen Abstecher ins Touristenviertel von Medellín: Barrio Poblado. Es ist gleichzeitig das reichste Viertel von Medellín und viele der Hotels für ausländische Touristen sind in dieser Gegend. Mittendrin gibt es ein von der Polizei extra überwachtes Ausgehviertel mit ausgefallenen Gebäuden und vielen Nachtklubs. Für uns reicht ein kurzer Spaziergang hindurch. Wenn wir jedoch schon mal in dieser Gegend sind, nutzen wir die Gelegenheit noch für ein schickes Nachtessen – das war’s dann auch schon mit dem Quartier Poblado. Es ist halt ein typisches „Gringolandia“ – hat nichts mit Kolumbien zu tun, ermöglicht es aber den internationalen Touristen sich im Ausland wie zu Hause zu fühlen. Unsere Art des Tourismus ist das so gar nicht – aber offensichtlich scheint es sich für die Betreiber der Hotels, Restaurants und Bars zu lohnen. Einziger Vorteil für uns; hier gibt es vegetarische Restaurants, was sonst sehr schwierig zu finden ist.

Damit schliessen wir die vier Tage Medellín mit einem durchmischten Gefühl ab. Die Stadt hat sehr interessante Facetten, besonders mit der Vergangenheit der Kartellkriege und den Einsichten, die wir während der Pablo Escobar Tour erhalten haben. Andererseits ist die Situation mit ausserordentlich vielen Obdachlosen echt prekär und zur falschen Zeit im falschen Viertel der Stadt kann ein harmloser Abendspaziergang wohl auch heute noch im Desaster enden. Nichtsdestotrotz sind wir froh Medellín gesehen zu haben und unsere eigenen Erfahrungen aus dieser Stadt mitzunehmen.

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