La Paz

von | 06. Sep. 2024 | Bolivien, featured, Südamerika | 0 Kommentare

Nachdem wir nicht genau wussten ob wir nach Bolivien einreisen sollten oder nicht haben wir uns offensichtlich für Bolivien entschieden. Ein neues Land, neue Abenteuer, La Paz als Stadt mit dem weltweit höchstgelegenen Regierungssitz erwartet uns. Vom Titicacasee nehmen wir einen kleinen Grenzübergang und sehen so auch noch die bolivianische Seite des Sees bevor wir uns ziemlich direkt auf den Weg nach La Paz machen.

El Alto – heute eigenständige Stadt in der Stadt

Unser Quartier für die nächsten Tage befindet sich in El Alto. Ursprünglich war es ein Stadtteil von La Paz ist El Alto heute eine eigenständige Stadt. Für uns ist es trotzdem ein Teil von La Paz. Uns kommt es vor allem gelegen, dass wir nicht mitten ins Zentrum von La Paz fahren müssen und Ben auf einem sicheren Parkplatz abstellen können. Nicht unweit davon befindet sich eine Gondelbahnstation. La Paz ist an den Hauptverkehrsachsen perfekt über Gondelbahnen erschlossen. Das macht uns die Erkundung extrem einfach, vergleichbar mit einem übersichtlichen U-Bahnsystem in anderen Städten. Das Zentrum selber liegt ungefähr 400m unter El Alto auf gut 3’600m Höhe. So gondeln wir über steile Abhänge von La Paz ins Zentrum und schauen den Stadtkern schliesslich zu Fuss an.

Fun Fact: El Alto liegt auf über 4’000 M.ü.M. und da El Alto allgemein als Teil von La Paz betrachtet wird, ist La Paz damit die inoffizielle höchste Hauptstadt der Welt! Inoffiziell, da eigentlich Sucre die Hauptstadt von Bolivien ist, allerdings befinden sich alle wichtigen Regierungsgebäude, wie das Gericht, die Landesregierung usw. in La Paz und nicht in Sucre.

Hexenmarkt in La Paz

In La Paz gibt es einen kleinen Markt der als Hexenmarkt bekannt ist. Hier gibt es viele aussergewöhnliche Gegenstände zu kaufen, um heidnische Zeremonien abzuhalten. Für uns wirken vor allem die getrockneten, durch die Witterung etwas mumifizierten Lama-Föten befremdlich. Anscheinend sterben einige Lama-Babys aus den grossen Herden auf natürliche Weise. Diese werden anschliessend eingesammelt und auf dem Hexenmarkt für bestimmte Rituale, wie zum Beispiel die Segnung eines neuen Hauses, weiterverkauft. Etwas weniger befremdlich sind dann schon die vielen Räucherwaren, welche für verschiedene Düfte sorgen oder auch Zubehör wie Holzkohle und Feuerholz. Inzwischen haben wir uns auch schon daran gewöhnt, dass überall Kokablätter und hochprozentiger Alkohol mitverkauft wird. Eben alles was für ein gelungenes Ritual obligatorisch ist. Bei unserem Besuch auf dem Hexenmarkt ist aber gerade wenig los, da wir aus Versehen am Nationalfeiertag Boliviens den Hexenmarkt besuchen. Logischerweise sind da die meisten Bolivianer am Feiern und nicht am Einkaufen. Macht nicht so viel für uns, wir haben einen Eindruck vom Hexenmarkt bekommen. Kleine Randbemerkung noch: Da wir mehr von Bolivien sehen als nur ein, zwei Städte sehen wir schon bald die gleichen feilgebotenen, toten Babylamas am Strassenrand bei weiteren Läden. Es ist also nicht so, dass es nur in La Paz einen sogenannten Hexenmarkt gibt. Vielmehr ist das der Ort, welcher für Touristen bekannt ist um diese Art Läden zu sehen – sie sind aber im ganzen Land, vor allem in den hohen Regionen über 3’000m, geläufig.

Grösster Freiluftmarkt in El Alto

An zwei Tagen der Woche – donnerstags und sonntags – verwandelt sich ein riesiger Teil von El Alto zu einem gigantischen Freiluftmarkt. Und gigantisch meint gigantisch: Der Markt erstreckt sich über mehrere Kilometer in der Länge und über viele Blocks in der Breite über eine unvorstellbar grosse Fläche. Auf diesem Markt kann wohl das gesamte Produktesortiment von Bolivien gekauft werden. Gemüse und Früchte spielen auf diesem Markt eine untergeordnete Rolle, obwohl auch damit mehrere Strassenzüge gefüllt sind. Vom kleinsten elektronischen Bauteil bis zu einem ganzen Auto: Hier findet sich alles. Kein technisches Produkt? – Kein Problem: Zahnbürste, Haarbürste, Besen oder doch Klebeband, auch das ist alles vorhanden. Besser ästhetisch sollte es sein? Minirock, Poncho, Lederjacke, Jeans und Anzug – in allen Grössen, Farben und Schnitten gibt es auf diesem Markt zu kaufen. Wortwolken werden dem riesigen Angebot auf keinen Fall gerecht – aber wir glauben, dass damit die Idee einigermassen rüberkommt.
Wir sind uns inzwischen Freiluftmärkte gewohnt, aber in dieser Dimension – das war nochmals ein Novum für uns.

Hoch hinaus – Paddy knackt die 6’000m Marke

La Paz eignet sich ausserdem sehr gut für verschiedene Hochtouren in die umliegenden Berge. Paddy interessiert sich bereits im Vorfeld für eine Tour über 6’000m – schliesslich ist das in Europa gar nicht möglich zu erreichen – hier in den Anden begleiten uns 6’000m hohe Berge schon seit einiger Zeit. Der Reiz war also unterschwellig permanent vorhanden, in La Paz biet sich mit dem Huayna Potosí ein verhältnismässig einfacher 6’000m hoher Berg. Kurz informiert und schon geht die Tour los. Zwei Übernachtungen, drei Tage bergsteigen ermöglichen den Aufstieg von La Paz über zwei Berghütten auf 6’088m.ü.M.

Am ersten Tag werden den Teilnehmern Bergsteigtechniken mit Eispickel und Steigeisen beigebracht. Der Huayna Potosí ist ganzjährig verschneit und vereist, was Steigeisen unverzichtbar machen. Die erste Nacht verbringt die Gruppe in einer recht komfortablen Berghütte auf 4’800m. Die Zeit neben der Einführung wird zur Energiegewinnung und weiteren Akklimatisation genutzt. Das bedeutet so viel wie wir machen nicht viel, sitzen rum und erzählen einander Reisegeschichten und unsere Erwartungen über den kommenden Aufstieg in die grosse Höhe. Am zweiten Tag beginnt der Tag zwar um 08:00 Uhr aber vor 12:30 passiert nichts. Heute nehmen wir uns nur 400 Höhenmeter vor und steigen bis ins Höhenlager auf 5’200m auf. Hierhin fahren keine Autos mehr, alles muss per Hand oder Lasttier – wovon wir aber keine sehen – hochgeschleppt werden. Die grössere Herausforderung ist das hohe Gewicht des Rucksackes mitsamt der ganzen, benötigten Ausrüstung. Mindestens 20kg am Rücken machen den Aufstieg in dieser Höhe anstrengender als erwartet.

Am dritten Tag starten wir mitten in der Nacht um 01:30 Uhr um pünktlich zum Sonnenaufgang um 06:30 Uhr auf dem Gipfel des Huayna Potosí zu sein. Die Bewegungen sind extrem langsam, fast schon tranceartig, um die Kräfte möglichst zu schonen und die gut 5h Aufstieg bis auf den Gipfel zu meistern. Nur etwa im Sekundentakt setzt jede Seilschaft einen Fuss hinter den anderen, langsam, aber stetig. An diesem Morgen machen sich wohl um die 70 Touristen mit ihren Bergführern auf den Weg bis zum Gipfel. Dadurch, dass der Gipfel für diese grosse Höhe einigermassen einfach zu besteigen ist schaffen es im Schnitt 70% der Teilnehmer.
Die Einfachheit der Besteigung des Huayna Potosí ist natürlich relativ. Technisch gesehen ist das so, mental für Anfänger wie Paddy und die restlichen Teilnehmer ist der Schwierigkeitsgrad doch etwas höher. In kompletter Dunkelheit, im Schein der vielen Stirnlampen, überqueren wir Gletscherspalten und steile, komplett vereiste Hänge. Der Weg ist nur 3.1km lang, und 888 Höhenmeter hoch. Aber die 5h sind nicht zu viel Zeit. Weit entfernt leuchtet das Lichtermeer von La Paz in die Nacht. Wir erkennen den Gipfel noch gar nicht durch die Dunkelheit – einfach immer weiter unserem Bergführer hinterher. Kurze Pausen, und längeres Anstehen hinter grösseren und deshalb noch langsameren Gruppen machen das Körpertemperaturmanagement gar nicht so einfach. Teilweise wird es echt kalt durch den manchmal zügigen Wind.
Am Schluss ist es mehr eine mentale Herausforderung als eine körperliche. Etwa 150 Höhenmeter unter dem Gipfel nach ungefähr 3.5h wandern wäre es schön gewesen auf dem Gipfel zu sein. Aber da war er noch nicht. Durchbeissen und weiterwandern, alles andere hilft nicht. Kurz vor dem Schluss wird es nochmals interessanter: Eis und Schnee sind hier geschmolzen und wir wandern mit Steigeisen auf blanken Steinen durch eine Felswand. Für meine Begriffe ist das nicht unbedingt ideal, aber die Stelle ist wohl zu ausgesetzt, um die Steigeisen abzuziehen. Der letzte Grat vor dem Gipfel hat es ebenfalls in sich für Novizen im Bergsteigen: Ein schmaler Grat aus Schnee und Eis, und auf beiden Seiten fällt der Berg mehrere Hundert Meter steil ab. Das ist die letzte Challenge bevor wir wenige Minuten vor Sonnenaufgang den Gipfel vom Huayna Potosí erreichen. Unser Bergführer Abraham hat Paddy und Zuka, ein brasilianischer Tourist, mit perfektem Timing auf den Gipfel geführt!

Die Aussicht ist wunderschön, und logischerweise dank der grossen Höhe in 360° möglich. Wir sehen La Paz in der Ferne, den Titicacasee, und eine atemberaubende Landschaft mit Bergseen in goldenes Sonnenlicht getaucht zum Sonnenaufgang. Wir verharren nur kurz auf dem Gipfel, da nach uns noch viele Gruppen folgen und wir auf keinen Fall auskühlen sollten. Schliesslich steht uns noch der Abstieg bevor. 5h und 19 Minuten dauerte der Aufstieg für uns. Die gleiche Route abwärts zurück zum Hochlager schafften wir dann in unter zweieinhalb Stunden. Kurz ausruhen, aufwärmen und etwas essen. Und schon müssen wir wieder mit dem ganzen Hochalpinmaterial zurück zum Basislager auf 4’800m laufen. Nach dieser Tour merken wir, was unsere Körper schaffen mussten, etwas schwach und teilweise mit etwas Schmerzen, da besonders die Hartschalenbergschuhe der Agentur nicht sehr passgenau waren, kehren alle glücklich zum Ausgangspunkt der Tour zurück. Wir haben es geschafft! Einmal im Leben aus eigener Kraft auf über 6’000m, genauer auf 6’088m.ü.M., zu stehen – einmalig! Die Freude ist riesengross, und überraschenderweise haben dieses Mal von allen Teilnehmern 90% den Aufstieg erfolgreich geschafft.

Dieselsituation Bolivien

Diesel in Bolivien zu bekommen, war für Touristen schon immer schwierig. Zum einen fahren nur Lastwagen, öffentliche Busse und Staatsfahrzeuge mit Diesel (Privatfahrzeuge fahren mit Benzin oder, zu einem überraschend grossen Teil, mit Erdgas) und zum anderen sind nicht alle Tankstellen berechtigt an Ausländer zu verkaufen. Ausserdem zahlen alle Ausländer den internationalen Preis für Diesel, was etwa 2,5-mal so viel ist, wie die Einheimischen bezahlen.
Seit Anfang Juli 2024 ist jedoch der Dieselimport eingebrochen (die Gründe dafür sind vielzählig, vor allem aber auch bei einer hohen Verschuldung bei den Nachbarländern zu suchen). Die Tankstellen bekommen nur noch selten und unregelmässig Diesellieferungen, was zu langen LKW-Schlangen vor den Tankstellen führt. Die Schlangen sind mehrere Kilometer lang, wir zählen meisten weit mehr als 50 LKWs, und die Fahrer stehen tage- und nächtelang an! Hat es vor einer Tankstelle ausnahmsweise keine Schlange, haben sie auch keinen Diesel. Auf Grund von dieser Situation weigern sich nun auch viele der Tankstellen, die eigentlich an Touristen verkaufen dürften, dies auch tatsächlich zu tun.
Auf unserem Weg quer durch Bolivien müssen wir nur einmal, oder um auf der sicheren Seite zu sein zweimal, tanken, dank unseren zusätzlichen Kanistern mit Diesel von Peru und einer sehr klaren Reiseroute ohne grosse Umwege. Wir haben Glück, wir stehen „nur“ 18 Stunden an. Ausserdem bewegt sich die Schlange die ersten 15 Stunden keinen Meter vorwärts, da wir auf einen neuen Tanklaster warten, und wir stehen über Nacht an. D.h. wir können hinten in unserem eigenen Bett schlafen und am nächsten Morgen ausgiebig Frühstücken, bevor es tatsächlich weitergeht. Die meisten LKW-Fahrer haben diesen Luxus nicht und verbringen Stunden, wenn nicht Tage auf ihren Fahrersitzen. Ausserdem ist für uns diese Aktion einfach nervig, aber wir haben keinen Zeitdruck – für die LKW-Fahrer gehen so ganze Tage ohne Arbeit und somit auch ohne Lohn verloren!

Nach dem Erfolgserlebnis für Paddy und der etwas längeren Zeit in La Paz für Mimi sind wir nun beide bereit, um weitere Sehenswürdigkeiten von Bolivien zu erkunden. Zur Abwechslung auf dieser Reise gehen die nächsten Etappen nicht südwärts, sondern ostwärts. Wir berichten demnächst von den weiteren Reiseetappen hier auf unserem Blog CompassChronicle.

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Über uns

Wir sind Paddy und Mimi, ein reisehungriges Paar aus der klitzekleinen Schweiz mitten in Europa. Wir bezeichnen uns selber als Slow-Traveler, da wir gerne genügend Zeit an einem Ort oder in einem Land verbringen. So klappern wir nicht ausschliesslich die typischen Sehenswürdigkeiten ab sondern lernen gerne auch die Kultur des jeweiligen Landes näher kennen.

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